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Kurzer Abriss der Hofesgeschichte

Die erste Erwähnung eines Wischel(er)-Hofes geht auf das Jahr 1122 zurück. In diesem Jahr wandeln die Reichsgrafen Gottfried und Otto von Kappenberg ihre Burg (das heutige Cappenberger Schloss) in ein Kloster um, wodurch zahlreiche Höfe der Umgebung dem Bischof übereignet werden. So widerfährt es auch dem Hof Wiselo, der sich zu dieser Zeit wohl in der Hand eines "Ritters" niederen Adels befindet, der dem damals im Münsterland verbreiteten Geschlecht der von Wischelo angehört.

Der 1139 in einer Cappenberger Urkunde als Zeuge genannte Baldemar von Wischelo ist als erster bekannter Träger des Namens Wischeler anzusehen. Andere gebräuchliche Formen dieses Namens waren im Laufe der Zeit: de Wyschlo, to Wiselo, Wischelo, Wischel; auch Wischeling kommt vor. Im Kamener Raum südlich der Lippe ist in späteren Jahrhunderten der Name Wischeloh zu finden; eine unmittelbare historische Verbindung der Namensträger zu dem Wischelerschen Hof ist möglicherweise vorhanden, jedoch (bislang) nicht nachgewiesen.

Siegel des Bruno von Wischelo Ungefähr 200 Jahre später, 1349, befindet sich der Hof "to Wischelo" nicht mehr in Kappenberger Lehnsbesitz, sondern untersteht dem Haus Sandfort in Vinnum bei Olfen; der "Burgmann" Bruno von Wischelo ist dabei mit dem Wischel-Hof belehnt. In jener Zeit (1360) ist auch ein Verweis auf das von den heutigen Wischelers rezipierte Wappen zu finden: Es ist das Wappen der von Wischelo, das in verschiedenen Formen überliefert ist. Grundsymbol ist ein blauer Helm mit weißen Federn auf goldigem Grund.

In den Landessteuerlisten des Fürstbistums Münster steht folgender Vermerk: "1498 wurde zur Landessteuer veranlagt: Villica von Wischel." Hieraus lässt sich schließen, dass die Bäuerin auf Wischels Hof sich "von Wischel" schreibt oder so gerufen und geschrieben wird. Urkundliche Nachweise für einen unmittelbaren verwandtschaftlichen Zusammenhang zu den Rittern von Wischelo liegen nicht vor. Die Villica von Wischel kann als älteste bekannte Vorfahrin der heutigen Familie Schulze Wischeler angesehen werden.

1499 übernimmt ihr Sohn Johann Schult Wischel den Hof. In dem Schulzen-"Titel" spiegelt sich nach damaligen Gebrauch die Größe und Bedeutung des Hofes wider. Vielfach obliegt es dem Schulzen, für seine Lehnsherren von den Nachbarn, die der gleichen Lehnsherrschaft angehören, Naturalien einzusammeln und zu lagern. Interessanterweise wird der Familienname übrigens nicht immer an die männlichen Nachfahren weitergegeben: So sollte es bei den Wischelers in der Folgezeit sehr häufig vorkommen, dass nicht einer der Söhne, sondern eine Tochter den Hof erbt und der eingeheiratete Mann den Namen seiner Frau annimmt; hinsichtlich der Namenswahl ist der geografische Ortsbezug somit stets bedeutsam.

Der Dreißigjährige Krieg (1614-48) überzieht das Land mit großem Schaden. In der unmittelbaren Nachbarschaft bringt die Pest vielen Menschen den Tod und es kommt zu Plünderungen und Zerstörungen. Die damals auf dem Wischeler-Hof lebende Bäuerin und Hoferbin Else Schulte Wischels und ihr Gemahl Jost Arens geraten durch die Kriegswirren in Schulden und nehmen 1647 eine hypothekarische Belastung auf. Hierbei handelt es sich um die älteste Urkunde, die sich heute im Hofesarchiv befindet.

Rund 500 Jahre steht der hofrechtliche Verband zwischen Sandfort als Grundherrschaft und dem Wischeler-Hof als Unterhof in der Form der Eigenhörigkeit fest. Die persönliche Bindung des Schulzen an seinen Lehnsherren wird nach Napoleons "Bauernbefreiung" Anfang des 19. Jahrhunderts aufgehoben. Das nachfolgende preußische Recht nach der vom Freiherr vom Stein durchgeführten Agrarreform ermöglicht die Ablösung der lastenden Abgaben durch eine Geldzahlung. Im Wischelerschen Fall geschieht dies im Jahre 1852 durch die Zahlung von 922 Thalern und 15 Silbergroschen.

St. Georgs-Mosaik Kurz vor diesem Zeitpunkt (1845) wurde das älteste der heute auf dem Hof noch vorzufindenden Gebäude erbaut. Es ist der sogenannte "Schafstall", bei dem es sich ursprünglich um eine alte Scheune handelte und der damals bereits aus älteren gebrauchten Eichenpfosten und -balken errichtet wurde. 1869/70 wird das heutige Wohngebäude des Hofes erneuert und in präsentabler Gestalt an das alte Langhaus des Hofes angebaut. Bereits im Jahre 1900 zerstört jedoch ein Brand weite Teile des alten Langhauses. Dem aufmerksamen Beobachter fallen die architektonischen Auswirkungen des Brandes noch heute auf. 1898 wird die große gegenüber dem Wohnhaus liegende Kornscheune fertig gestellt, welche heute Islandpferde beherbergt. Zuvor hatte das Gebäude bereits als Dreschplatz, Heulager, Unterstellplatz für die ersten Mähdrecher (damals eine technische Sensation!), Hühnerstall und Rinderstall gedient.

Als älteste vom Menschen geschaffene Konstrukte des Anwesens sind jedoch die Bleichkuhle (heute ein unscheinbarer, amphibienreicher Teich) und die Bleichwiese (Böschung zwischen Teich und Straße) anzusehen. Diese dienten in alter Zeit der Flachsverarbeitung, welche im Münsterland bereits seit dem 9. Jahrhundert bekannt ist und mit vielen Traditionen verbunden war (Aussteuer der Bäuerinnen und Mägde, Zeigen des Fleißes nach außen hin, etc.).

Während des Ersten Weltkriegs, im Jahre des Steckrübenwinters 1916/17, wird das an der Vorderseite des Hauptwohnhauses befindliche St. Georgs-Mosaik erstellt. Es zeigt den Schutzpatron der Ritter in Drachen tötender Weise, darüber ist der derbe Spruch "Wer Gott vertraut, brav um sich haut, dem wird es stets gelingen" in die Fassade des Wohnhauses eingelassen. (Bei dem Spruch handelt es sich übrigens um eine Lebensweisheit des Freiherrn vom Stein!) Der Entwurf des St. Georg stammt vom für die Glasmosaikkunst bedeutenden Künstler Gottfried Heinersdorff, als handwerklicher Ersteller wird ein Herr Bengsen aus Berlin notiert.

Die beiden Weltkriege übersteht der Hof weitgehend unbeschadet. Der einzige sichtbare Schaden fällt dem aufmerksamen Passanten an der Hofeinfahrt am Cappenberger Damm auf: Der Corpus Christi des dort 1903 errichteten Wegekreuzes erleidet unmittelbar nach dem Kriegsende (1945) eine Kriegsverletzung, indem ihm randalierende Passanten die Füße abschlagen. Zahlreiche Dokumente im Hofesarchiv geben einen Eindruck vom ländlichen Alltag in jenen Jahren, welche die Landarbeiter an der "Front" und zahlreiche (insbesondere ukrainische) Fremdarbeiter zusammen mit französischen Kriegsgefangenen auf dem Wischeler-Hof verbrachten.

1904 wird auf dem Hof Fritz Schulze Wischeler geboren (+1995). Dem in der Umgebung als "Dr. Fritz" bekannten "münsterländer Urgestein" verdanken wir zahlreiche heimat- und familiengeschichtliche Arbeiten und viele heitere Gedichte, die das regionale Zeitgeschehen des letzten Jahrhunderts dokumentieren. Die von ihm aufgezeichneten Geschichten, seine Fotos und Filme sowie die zahlreichen Anekdoten seiner Nachkommen lassen die Hofesgeschichte bis in die heutige Zeit hinein lebendig werden.


© 2004-13 B. Schmidt, v1.7, 26.01.2013